Redebeitrag Referat für Frauen und Gleichstellung


„Wenn es doch nur etwas gäbe, dass man da machen kann…“

Gleichstellung ist gerade kein einfaches Geschäft aber es nicht zu machen ist auch keine Option, also machen wir es – Hallo, einige von euch haben keine Ahnung wer ich bin und das ist okay, denn ich habe fest geplant mich eben ganz kurz vorzustellen. Mein Name ist Luisa Arndt, ich bin die Gleichstellungsbeauftrage der Landeshauptstadt Hannover. Und ich werde für Feminismus bezahlt – intern und extern. Das bedeutet, zwei Dinge – erstens - mein Job ist furchtbar sinnstiftend und zweitens – auch wenn ich gerade manchmal gerne einfach nicht wissen will was los ist, habe ich keine Wahl – ich muss hinschauen und darüber sprechen. Und ich will auch darüber sprechen, denn die Zahlen sind alarmierend: Jede dritte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von unterschiedlichen Gewaltformen: Etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder durch ihren früheren Partner. Im letzten Jahr wurden 360 Frauen und Mädchen ermordet, weil sie Frauen sind. 2023 wurden 180.715 Frauen Opfer Häuslicher Gewalt – 5,6 Prozent mehr als 2022. 17.193 Frauen waren von digitaler Gewalt betroffen - 25 Prozent mehr als 2022.

Uff… das ist manchmal erschlagend, egal ob ich es in einem politischen Ausschuss erzähle oder es mir selbst auf Instagram entgegenschallt.

Wenn es doch nur etwas gäbe, dass man da machen kann…. ach Moment ich hab hier:

Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt die sog. „Istanbul-Konvention“) von 2011 ist ein völkerrechtlich bindendes Instrument zur umfassenden Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Dazu gehören Opferschutz, Prävention und Strafverfolgung sowie die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter. Die 81 Artikel der Istanbul-Konvention enthalten umfassende Verpflichtungen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, zum Schutz der Opfer und zur Bestrafung der Täter*innen.

Das klingt richtig gut, kann ich das haben? Tatsächlich – ist da die Antwort ein klares Njein:

Deutschland hat die Istanbul-Konvention im Oktober 2017 ratifiziert. Mit dem Inkrafttreten am 1. Februar 2018 ist die Konvention geltendes Recht in Deutschland, vor dessen Hintergrund die deutschen Gesetze ausgelegt werden müssen. Bis zum 01.02.2023 hätte Deutschland noch Vorbehalte anbringen können – hat es nicht. Damit gilt die Konvention umfassend und ich sag euch, dass Papier kann was. Nur leider… kommt das nicht hier an. Dabei würde es endlich mal ne Menge Fragen klären – Zum Beispiel... wie viele Frauenhausplätze brauchen wir und wer bezahlt das?

Eine gute Freundin von mir ist Qualitätsmanagerin – die beschäftigt sich viel mit DINNormen und freut sich immer, wenn es EU-Richtlinien zu ihren Themen gibt, denn dann wählt man häufig den pragmatischen Weg und beschließt durch die Feststellung, dass diese Richtlinien nun in Deutschland Gesetzescharakter besitzen und damit binden sind.

Da träume ich von. Ich mein… das Grillen ist in Deutschland reglementiert - namentlich durch die DIN EN 1860-1. Sie besagt, dass der Abstand zwischen den Stäben eines Grillrosts nicht größer als 20 Millimeter sein darf. So soll verhindert werden, dass Grillgut beim Grillen durch die Stäbe in die Kohlen fällt. Wissen sie was nicht geregelt ist? Die Finanzierung von Frauenhausplätzen. Aber da geht es ja auch nur um Frauen und nicht um die Wurst.

Am 31.1.25 wurde nach langen Kämpfen endlich der Entwurf zum Gewalthilfegesetz im Bundestag verabschiedet. Das Gewalthilfegesetz würde erstmals bundesgesetzlich sicherstellen, dass gewaltbetroffene Frauen einen kostenfreien Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung haben. Heute befindet sich das Gewalthilfegesetz in der Sitzung des Bundesrates und es bleibt abzuwarten, ob wir hier noch ein kleines politisches Wunder erleben. Besonders nach den katastrophalen Entwicklungen bei Abstimmungen im Bundestag in den letzten Wochen, wäre das ein lange überfälliger Hoffnungsschimmer, dass es langfristig besser werden kann.

Oder… ich bin heute bescheiden, denn ich bin erschöpft durch die letzten Wochen – zumindest könnten wir dann vermutlich eher verhindern, dass die Uhr auf 1933 oder 1950 zurückgedreht wird, denn gerade… und das spüre ich in meiner Arbeit sehr deutlich, geht es hier an der Feminismus- Front nur noch darum den Status Quo zu halten statt für Verbesserungen zu kämpfen.

Und so lange Gewaltschutz eben noch keine DIN-Norm hat – ist es umso wichtiger, weiterhin Politik an ihre Verantwortung zu erinnern und das Thema in der Öffentlichkeit zu platzieren, damit die in der Istanbul-Konvention enthaltenen Regelungen im nationalen Recht verankert werden.

Denn wir haben hier kein Erkenntnis-, sondern in großen Teilen ein Umsetzungsproblem – eine sehr unangenehme Situation - wir wissen genau was man machen kann, es werden nur viel zu oft auf politischer Ebene andere Prioritäten gesetzt. Manchen mag das bekannt vorkommen...

Gleichstellung hat im Moment kein politisches Hoch – um nicht zu sagen, es läuft gerade nicht. Mit gemeinsamen Kräften schaffen wir es hier in Hannover immer noch das Schlimmste in Sachen Kürzungen zu verhindern, das Schlimmste verhindern ist aber eben immer noch nicht „auskömmlich finanzieren“ oder „umfassenden Schutz gewährleisten“. Denn dafür reicht die politische Prioritätensetzung am Ende eben doch nicht aus.

Wenn es doch nur etwas gäbe, dass man da machen kann…ach Moment ich hab hier:

Geschlechterparitätische Besetzung in demokratischen Parlamenten zur besseren Vertretung von Gleichstellungsthemen.

Klingt trocken, ist aber unglaublich wichtig.

Dass das wirken kann, haben wir früh in unserer Demokratie erlebt – denn es waren Frauen die den Artikel 3. Abs. 2 GG „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ durchsetzen – und eben nicht eines der männlichen Mitglieder des parlamentarischen Rates – dabei hätten die Herren das sicher tun können, haben sie aber nicht, sondern sie haben es eher noch aktiv erschwert – ein Phänomen, dass wir immer wieder erleben – auch heute noch.

Gerade läuft in Niedersachsen das Mentoring Programm „Frau.Macht.Demokratie“ für mehr Frauen in der Politik und wer sich denkt, na toll aber so ein Hilfsprogramm für Quotenfrauen hilft uns nicht, den, die, dey lade ich gerne ein den Weg in die Kommunalpolitik auch so zu finden– Hauptsache wir können dort eine signifikante Veränderung erreichen, denn mit so einer Veränderung ließe sich noch viel mehr ins Rollen bringen, in all den Themen die so wichtig sind für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Das wäre eine Entwicklung die wir dringend auf kommunaler Ebene brauchen, denn…

... die bundesweite Entwicklung gibt nicht so richtig Grund zur Hoffnung – von der internationalen Entwicklung habe ich da noch gar nicht angefangen.

Überall erleben wir Einschränkungen von essentiellen Errungenschaften der feministischen Bewegung – Einschränkungen von Menschenrechten, könnte man sagen, wenn man so radikal sein will Frauen als Menschen zu sehen. „Neulich hörte ich in einer Rede „Die Frauen in Amerika haben nun weniger Rechte als ihre Großmütter“ und für die Lage von Frauen in Afghanistan, für die Lage von den Frauen in sämtlichen von Krieg und Krisen betroffenen Gebieten fehlen mir die Worte.

Und all das macht mich mütend – mütend – kennen sie das noch? Das ist so ein Modewort aus der Corona-Zeit – Wütend und müde und ich bin das viel zu häufig in der letzten Zeit.

Wenn es doch nur etwas gäbe, dass man da machen kann…. ach Moment ich habe hier:

Solidarität, ja gut – es tut mir gut, wenn ich hier in die Runde sehe.

Sichtbarkeit und Bestärkung – als Teil einer widerstandfähigen Demokratie denn auch für diese stehen wir hier heute.

Mut und Wut – Gleichstellung ist gerade kein einfaches Geschäft aber es nicht zu machen ist auch keine Option also machen wir es. Und ohne Demokratie läuft das nicht.

Daher bleibt mir zum Schluss die aktuell dringendste Empfehlung dieser Zeit: gehen sie wählen, und zeigen sie, dass wir in diesem Bereich WEDER ein Erkenntnis – NOCH ein Umsetzungsproblem haben, sondern genau wissen, dass es jetzt gilt zu handeln, um unsere Demokratie zu schützen und das wir es eben auch tun.

Vielen Dank!

One Billion Rising Hannover

Pressearbeit: kargah e. V.
Laura Heda

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